Reichskanzlei – Projektgeschichte

2003-2010 (Das erste 3D-Modell)

Die Arbeit an der 3D-Rekonstruktion der Reichskanzlei hatte 2003 begonnen. Am Anfang schien alles ganz einfach zu sein und so waren nur 6 Monate für die Fertigstellung des 3D-Modells eingeplant. Es gab einige Bücher auf dem deutschen und dem amerikanischen Buchmarkt, die sich mit dem historischen Berliner Regierungsviertel und mit dem Gebäude der Reichskanzlei beschäftigten. Ein Team von fünf 3D – Grafikern wurde zusammengestellt. Diese sollten die in den Büchern veröffentlichten Pläne, Fotos und Informationen als Grundlage nutzen, um das 3D-Modell zu erstellen. Doch bald stellte sich heraus, dass dies keine leichte Aufgabe darstellte. Denn wenn man eine Vorlage aus einem Buch nutzt, um nach ihr ein Gebäude zu rekonstruieren, schaut man diese Vorlage viel genauer an, als es vielleicht der Autor tat, bevor er das Bild für sein Buch auswählte. Schnell wurde Christoph Neubauer klar, dass viele Thesen und Beschreibungen der Buchautoren nicht mit den Dokumenten zu korrespondieren schienen, die die Autoren in ihren eigenen Büchern verwendeten. Aus diesem Grund musste er selbst damit anfangen, zur Baugeschichte der Reichskanzlei Nachforschungen zu betreiben, um solche Ungereimtheiten in seiner Arbeit ausschließen zu können. Das einfache Nachbauen eines Gebäudes wurde so zu einem eigenständigen Forschungsprojekt und Christoph Neubauer zum Grafiker, der seine Arbeit nun mit dem Qualitätsanspruch eines Historikers und Wissenschaftlers fortsetzte. Trotz der geringen Anzahl an Dokumenten, die der Rekonstruktion als Vorlage dienten, war das erste 3D-Modell detailliert und historisch akkurat genug, um es in den geplanten 3D-animierten Dokumentationen nutzen zu können. Das gelang hauptsächlich dadurch, dass es im Film möglich ist, durch den geschickten Einsatz von Kameraführung und Schnitt nur die Bereiche des Modelles zu zeigen, die Neubauers wissenschaftlichem Anspruch entsprachen. Das 3D-Modell wurde in den Jahren 2007-2009 noch um den Bunker der Alten Reichskanzlei, den Führerbunker und weitere Umgebungsbauten erweitert, um dem Betrachter eine bessere Orientierung innerhalb des gesamten Gebäudeensembles zu ermöglichen.

2011-2023 (Die Arbeit an dem neuen 3D Modell)

Zurück in Europa und nach der Erweiterung des Privatarchives um einen Großteil der in den verschiedenen in Archiven zugänglichen Baupläne der Reichskanzlei, begann Christoph Neubauer 2011 damit, das 3D-Modell um die Kelleranlagen und die Bunker der Neuen Reichskanzlei zu erweitern. Während dieser Arbeit stellte sich schnell heraus, dass die neu entstandenen Kellerräume nicht genau in das 3D-Modell passten, das zwischen 2003 und 2006 von den Grafikern in Südafrika erstellt wurde.
Das kam dadurch, dass für die Erstellung des ersten 3D-Modells nicht mehr als 100 Pläne und Fotos zur Verfügung standen und zudem den Grafikern damals genaue Abmessungen der Gebäudeteile unbekannt waren. Ein weiterer Grund für die Ungenauigkeiten des alten Modells war die Tatsache, dass es von Grafikern erstellt wurde, die zwar die Software gut beherrschten, jedoch oft wenig Verständnis für die Regeln der Architektur hatten. Das ist ein sehr häufiges Problem, wenn historische Gebäude allein von Grafikern und Programmierern rekonstruiert werden. Auf dem Hintergrund seines zwischenzeitlich stark erweiterten Bildarchives (aktuell beinhaltet es mehr als 13.000 Baupläne und Fotos der Reichskanzlei) und der Erweiterung seiner eigenen Fähigkeiten als 3D-Grafiker entschloss sich Christoph Neubauer 2011 dazu, das gesamte Modell der Reichskanzlei in Eigenarbeit neu anzufertigen. Dies war eine schwere Entscheidung, da bereits sehr viel Zeit und Geld in das alte 3D-Modell investiert worden waren. Jedoch war es für die Zukunft des Projektes notwendig, diesen Schritt zu gehen, um später die Möglichkeit zu haben, das Modell in Raum und Zeit problemlos erweitern zu können.  
Seit 2013 machen neue technische Entwicklungen Hoffnung auf eine neue Art der öffentlichen Präsentation des 3D-Modells. Wäre es nicht eine tolle Erfahrung, eines Tages mit Hilfe von VR-Brillen eigenständig durch die rekonstruierten Räume der Reichskanzlei zu laufen? Doch in den folgenden Jahren wurde schnell klar, dass die virtuelle Realität neben der Auflösungsqualität der Brillen auch noch das Problem des eigentlichen Laufens innerhalb der virtuellen Realität zu lösen hat, bevor eine anspruchsvolle Architekturbetrachtung innerhalb der VR möglich sein wird. Aus diesem Grund entschied Neubauer, das neue 3D-Modell vorerst für die Präsentation auf klassischen Bildschirmen zu optimieren und die Nutzer, wie in einem Videospiel, selbstständig die rekonstruierten Straßen und Gebäude erkunden zu lassen. Auf diese Art werden dem Nutzer die 3D-Modelle und ihre Texturen in höchster Detailschärfe dargestellt und zudem ein hoher Realismus in der Darstellung der Vegetation und der Lichteffekte ermöglicht. Heute weist das neue 3D-Modell eine maximale Toleranz von nur 0.5cm gegenüber den Bauplänen der Reichskanzlei auf. Das wird dadurch erreicht, dass bei der Rekonstruktion die Pläne nicht einfach als Fotoreferenz genutzt werden, sondern das Modell allein anhand der Maßangaben erstellt wird. Dadurch werden Verzerrungen vermieden, die während der Reproduktion von Plänen durch die Linsenverzerrung der Fotokameras entstehen. Doch nicht immer wurde nach den Bauplänen gebaut. Von vielen Detailbereichen der Reichskanzlei sind auch keine Baupläne überliefert oder sie widersprechen den Fotos, die diese Bereiche dokumentieren. Da Christoph Neubauer sein Privatarchiv fast täglich erweitert und da die daraus resultierenden neuen Erkenntnisse ständig in das 3D-Modell eingefügt werden, wird die Rekonstruktion wohl noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Nur so wird es möglich sein, das 3D-Modell der Reichskanzlei immer auf dem aktuellsten Stand der Forschung zu halten.

Die Zukunft des Projektes

Niemand kann in die Zukunft sehen, doch vermutlich wird die Arbeit an dem 3D-Modell nie beendet werden. Momentan liegt die ganze Konzentration darauf, das Modell im Bauzustand vom August 1939 fertigzustellen. Das wird später auch alle Räume der Alten und der Neuen Reichskanzlei, inklusive der beiden Wohnbauten der Begleitmannschaften und der Tiefgarage, beinhalten. Die Räume, von denen keine Fotos überliefert sind, werden nur anhand von Grundrissen und Aufrissen der Bauakten rekonstruiert werden können. Somit wird es aber für die Nutzer in der Zukunft möglich sein, selbstständig durch den gesamten Gebäudekomplex zu laufen und jeden einzelnen Raum so zu sehen, wie er nach aktuellem Stand der Forschung momentan rekonstruierbar ist. Ziel ist es, das gesamte Gebäude in all seinen verschiedenen Bauzuständen zu rekonstruieren und dem Betrachter so die Möglichkeit zu geben, dieses wichtige historische Gebäude in seiner Gesamtheit erlebbar zu machen.